Das sind gezillmerte und ungezillmerte Versicherungen
In der Öffentlichkeit kaum bekannt ist der Begriff der „Zillmerung“. Was sich nach Versicherungschinesisch anhört, spielt eine entscheidende Rolle in der Leistungsberechnung bei jedem Abschluss einer Lebens- oder Rentenversicherung. Deshalb lohnt ein näherer Blick in diese Welt.
Der Vergleich lohnt sich Bild: Thorben Wengert / pixelio.deDie Unterschiede sind gravierendErfinder der Zillmerung war ein Dr. Zillmer aus dem 19. Jahrhundert, der Direktor einer heute nicht mehr existenten Versicherungsgesellschaft war. Da durch die Einführung der sofort fälligen höheren Provision erheblicher Neugeschäftszuwachs im Bereich der Lebensversicherung zu verzeichnen war, haben auch nach und nach alle anderen Versicherungsgesellschaften dieses Verrechnungsmodell übernommen. Heutzutage gerät es immer mehr in Kritik, so dass über eine Rückkehr zu den ungezillmerten Tarifen immer häufiger vorkommt. Folge: Die Abschlussprovisionen sinken und die Bestandspflegeprovisionen steigen. Die Rückkaufswerte in den ersten Jahren steigen und die Ablaufleistungen sinken.
Bei Abschluss: Volle Provision im gezillmerten TarifMit anderen Worten: für den Abschluss eines Versicherungsvertrages über einen Vertreter oder Makler kassiert dieser eine Provision, und diese Provision zahlt letztendlich natürlich der Vertragszeichner selbst – nur nicht in bar. Üblicherweise errechnet sich die Höhe der Provision aus der Summe der vom Kunden über die abgeschlossene Laufzeit des Vertrags geleisteten Einzahlungen. Bei einem günstigen Riestervertrag als Fondssparplan beispielsweise kann die Höhe der Abschlussprovision 5,5 Prozent der Gesamtsumme der Einzahlungen des Riestersparers betragen.
Das wäre nicht dramatisch, wenn sich die Provision über die gesamte Laufzeit des Vertrages verteilen würde. Da aber mehr als 50 Prozent aller abgeschlossenen Verträge weit vor dem Ende der Laufzeit entweder stillgelegt oder gekündigt werden, wird die Provision dem Versicherungsnehmer über die ersten 5 Jahre verteilt in sein Konto eingerechnet.
Sofern der Vertrag also wenigstens die ersten fünf Jahre bedient wird, bekommt der Verkäufer seine Provision in voller Höhe, und was danach weiter mit dem Vertrag passiert, interessiert den Vermittler provisionstechnisch nicht mehr.
Bei ungezillmerten Tarifen gibt es die Provision ratierlichBei einer Laufzeit von 20, 25 oder 30 Jahren wirkt sich das für den Vermittler dieser Versicherung so aus, dass er nach dem Abschluss der Versicherung nur eine anteilige Vergütung der Provision erhält. Aus einer Einmalprovision von über 2.000 Euro wird eine monatliche Vergütung von vielleicht 5 oder 10 Euro. Deshalb sind die ungezillmerten Tarife für die Vermittler kein Anreiz.
So wird das Kundenkonto in den ersten Jahren belastetBei den gezillmerten Verträgen fließt nur ein Bruchteil der monatlichen Einzahlungen in den Spartopf, der überwiegende Teil wird zur Verrechnung der bereits ausgezahlten Provision benötigt.
Ein Rechenbeispiel soll dies belegen:Angenommen, ein junger Mensch schließt einen langfristigen Riestervertrag ab und plant, die nächsten 35 Jahre monatlich jeweils 100,00 € einzuzahlen. Es werden also 35 Jahre x 12 Monate x 100,00 € = 42.000 € in den Vertrag einbezahlt. Würde die Vertriebsprovision in Höhe von 5,5 % über die gesamte Laufzeit verteilt, würden jeweils immer exakt 94,50 € monatlich auf dem Guthaben landen, die Gesamthöhe der gezahlten Provision beträgt also 2.310,00 €.
Wird nun die Summe gezillmert, verteilt sie sich auf die ersten 5 Beitragsjahre. Das bedeutet, von den ersten fünf Jahresbeiträgen gehen insgesamt 2.310,00 € / 5 Jahre = 462,00 € / Jahr an Provision in die Verrechnung – mithin fließen also nur noch 1.200,00 € – 462,00 € = 738,00 € ins Guthaben ein. Erst ab dem sechsten Jahr werden die vollen 1.200 € eingezahlt.
Der Rückkaufswert bleibt anfangs im MinusAls Nebeneffekt der Zillmerung ergibt sich weiterhin, dass die Rückkaufswerte etwa von klassischen Renten- und Kapitallebensversicherungen in den ersten fünf Vertragsjahren auf ganz niedrigem Niveau steigen – kein Wunder, denn rund ein Drittel der ersten Beiträge wird ja für die Vertriebsprovision des Vertreters bzw. Maklers benötigt. Wer in den ersten 5 Jahren seinen Vertrag kündigt und hofft, zumindest seine angesparten Beiträge zurückerstattet zu bekommen, der erlebt eine böse Überraschung.
Fazit: Nicht die versprochene Abschlussleistung ist maßgeblich beim Abschluss eines Vertrages, sondern welcher Tarif gewählt und wie der Berater entlohnt wird.
Roland Börck